Dieser nickte bedächtig. Er hatte den Ausführungen des Magiers sorgsam gelauscht.
"Wahrlich, an Ärger mit der Scola Scire hatte ich gar nicht gedacht! Gut, dass du schon einen Die.., Diss.., ein Gespräch mit Kemur geführt hast!"
Dann erhob er sich, wandte sich um und sprach im Gehen weiter:
"Meinen Stammbaum und eine Karte kann ich dir gleich geben. Ich habe sie irgendwo hier..."
Er hatte eine kleine Truhe in der Ecke erreicht und begann, darin herumzuwühlen.
Als er mit einer auf Leinen gezeichneten Karte und einem großen, gefalteten Dokument zurückkam, sprach er weiter.
"Mit der Blutsache hast du wohl auch Recht. Aber wie gesagt, wir werden ungestört sein."
Er nahm wieder Platz und schob Aiden die Karte und das Dokument, vermutlich ein Stammbaum, zu.
"Nur ein wenig Blut, das sagtest du doch, nicht wahr? Also nichts, wo noch ein Heiler zugegen sein müsste?"
Er meinte diese Frage ganz offensichtlich sehr ernst. Aiden war hoch angesehen in Dros Rock und darüber hinaus. Allerdings war Eickhart auch zu Ohren gekommen, dass der Magier pragmatisch und nicht sehr zimperlich vorzugehen pflegte.
Aiden verwies nochmals auf seine Ausführungen und machte Eickhart klar, dass es sich um ein paar Tropfen Blut handeln würde. Eben genauso, wie er es bereits zuvor erklärt hatte.
Eickhart war beruhigt und auch dankbar für Aidens Verständnis. Es musste für Magier sehr anstrengend sein, einen Eichenwaller, besonders einen Tornhaimer, von den Vorzügen der Magie zu überzeugen.
"Eine Anekdote über mich und meinen Bruder..." sinnierte Eickhart, als er sich Wein nachschenkte.
"Am meisten verbindet uns wohl mein Versagen in jungen Jahren."
Er lächelte schwermütig.
"Eschtor ist ein paar Jahre älter. Als Erstgeborenem oblag es natürlich immer schon ihm, die Familienehre zu mehren und später in die Stiefel unseres Vaters zu steigen. Samt Sporen versteht sich.
Während er schon Knappe in Eichenwall war, folgte ich ihm als Page. Mir war wohl bewusst, dass mich kein Ritterschlag erwarten würde und alle Augen und Hoffnungen auf Eschtor ruhten. Und mit dem gebührenden Ernst nahm ich daher meine Pflichten am Hofe des Markgrafen wahr!" Er lachte verhalten, ganz so, als kämen ihm peinliche Lausbub-Geschichten in den Sinn.
"Eschtor sorgte schon immer dafür, dass ich unbehelligt blieb, wenn ich was ausgefressen hatte.
Als wir schon junge Männer waren (oder meinten, es zu sein), kam ich dahinter, wann und wo sich die Müllerstochter zum Baden hinbegab.
Oh, war das eine Frau! Langes, rotgelben schimmerndes Haar! Ein paar Sommersprossen um die Nase und mit einem Busen... Ah, ich schweife ab und will dich damit nicht langweilen.
Zumindest war sie sehr reinlich, wie es einer ehrbaren Frau zusteht. Mehrmals die Woche ging sie zum Baden. Und ich folgte mit höflichem Abstand und passte auf, dass sie keiner belästigte oder beglotzte!
Da sie nicht dumm war, sie wusste von manchen Dingen viel mehr als ich, hatte sie mich natürlich bemerkt. Und fürsorglich, wie sie war, machte sie auch aus mir einen reinlichen Menschen.
Es gestaltete sich nur leider sehr schwer, reinlich und pflichtbewusst zur gleichen Zeit zu sein.
Somit blieben viele meiner Aufgaben unerledigt. Zuerst holte ich sie am späten Abend nach. Das war jedoch auf Dauer sehr ermüdend, wie ich feststellte.
Dann fing ich an, die Knechte dafür zu bezahlen, mir das ein oder andere abzunehmen. Eschtor konnte ich nicht bitten, der hatte selbst genug zu tun und musste schon andauernd Geschichten erfinden, warum ich nicht auffindbar war.
Nur hat man ja als Jüngling leider nicht so viel Geld, um ein Heer fleißiger Knechte zu entlohnen. Somit begann ich, zufällige Treffen zwischen meinem Bruder und einer jungen Köchin zu arrangieren. Die beiden wurden nicht so reinlich wie die Müllerstochter und ich, aber es entwickelte sich eine Vorliebe für Heuschober."
Genüsslich nahm Eickhart noch einen Schluck von dem Wein.
Manchmal redete er gerne und viel. Besonders nach etwas Wein.
"Nun denn, kurz gesagt, so kam ich zeitweilig an einen Schlüssel für die Gesinde-Küche.
Dort boten sich mir überzählige Vorräte, vor allem fette Würste und reifer Käse, dar.
Damit ließen sich die stets hungrigen Knechte bezahlen.
Nach wenigen Wochen fielen allerdings die dezimierten Vorräte auf. Der erste Verdacht fiel dann natürlich auf den bekannten Tunichtgut, also auf mich!
Trotz meiner Versprechen, nichts damit zu tun zu haben, drohte mir eine harte Prügelstrafe.
Auch stand zu befürchten, dass einer der Knechte vielleicht das Maul aufmachte. Und wenn all das nicht gereicht hätte, wäre es bestimmt am Ende noch der Müller gewesen, der mich totgeprügelt hätte.
Oder mein Vater. Der hätte mich ins Leben zurückgeprügelt, nur, um mir dann nochmal eine Abreibung zu verpassen.
Bevor es aber so weit kam, gestand mein Bruder seine Schuld ein. Die anstrengenden Übungen als Knappe hätten ihn so hungrig gemacht, dass er in seiner Not und Scham heimlich die Vorräte geplündert habe.
Und das beste an der Geschichte: die haben's ihm wirklich geglaubt! Das ging soweit, dass er danach immer einen besonders großen Teller voll Essen erhielt!
Gut, er hat vor aller Augen ne saftige Ohrfeige bekommen und wurde ne zeitlang "Scheunentor" genannt. Weil da soviel reinging, wie durch ein.. , du verstehst schon?!"
Ein weiterer Schluck Wein; das Glas war fast wieder leer.
"Die Sache mit der Köchin und der Mülletstochter hatte sich natürlich erledigt.
Und zukünftig blieben ein paar Arbeiten, die Eschtor erledigen musste, an mir hängen. Aber das erschien mir gerecht. Ich war ihm ja was schuldig.
Da er die zusätzlichen Würste, die unsere Mutter eigentlich ihm heimlich schickte, nicht erhielt, konnte ich davon die Knechte bezahlen. Die "tilgten" dann wiederum meine Schuld bei Eschtor."
Das Glas wurde geleert.
"Brauchst du mehr?
Ich könnte noch ein paar ähnliche Geschichten erzählen - streng vertraulich, natürlich!"