Tornhaim

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Der König von Tannenhaus




Liedgut und Geschichten

Der König von Tannenhaus

Beitragvon Samara Silberkehl » Do 24. Jul 2014, 20:36

Als der See noch jung und seine Kraft noch verborgen war, da gab es viele, die sich König nannten.
Und ein jeder hatte ein Reich mit Grenzen, so weit, wie sein Speer fliegen konnte. Und ein jeder KÖnig nahm vom Wald und seinen Bewohnern, was immer er brauchte. Und wann immer ihm dies nicht reichte, so nahm er es von einem anderen König. Zu dieser Zeit gab es keine Äcker, denn sie wären getränkt vom Blut gewesen und wer nicht erschlagen wurde, der hungerte bis in den Tod. So beriet sich der Herr des Waldes mit all den Königen der Tiere, was man gegen dieses Gräuel und Leiden tun könne. Drei Nächte und drei Tage hielten sie so Rat und sprachen von den Schrecknissen, die sie gesehen hatten, bis dem Herren des Waldes Tränen vom Gesichte tropften. "Gibt es denn kein Licht in diesen Tagen?" So fragte er voller Zweifel.
Der König der Fische sagte: "Doch, Herr! Ich schwamm im Fluss, als mich ein Junge packte. Seine Hand war schneller als mein Flossenschlag und er sah hungrig aus. Er erkannte mich nicht und hätte mich verspreist. So aber sagte ich ihm, wer ich bin und dass ich Fürsorge tragen müsse für alle meine Kinder, die da sind alle Fische im Fluss und in den Seen. Nun erkannte er mich und ließ ab. Sodann sprach er zu mir: "Ein König soll ein Vater sein - und wie könnte ich all den Fischen den Vater nehmen, nur um einen Tag nicht zu hungern?"
Der König der Vögel aber sagte: "Auch ich sah Licht in diesen Tagen. Hoch war ich geflogen und sah bis zum großen Gebirge. Dies nutzten zwei Königsküken der Menschen und stahlen Eier aus meinem Nest. Und nicht, dass sie sie aßen vor Hunger! Sie warfen sie an einen Felsen, nur zum Spaße, denn ihr Vater hatte geraubt und eine volle Tafel. So schnell wie der Wind mich trug, so stürzte ich hinab. Doch war ich wohl zu spät, um auch nur das letzte Ei zu retten. Aber es war ein junges Menschenküken, dass den beiden anderen einen Knüppel auf den Kopf schlug und sie vertrieb. Es stahl ein Ei und neigte sein Haupt und sprach: "Ich ließ Kindern ihren Vater und die Götter machten mich satt mit Freude. Nun will ich einem Vater seine Kinder lassen und erhoff' der Götter Dank." Und ich sprach: "Was heute zerbrochen ist soll dich heute satt machen und morgen der Götter Dank."
Da sprang der Boarenkönig auf und sprach verlegen: "Ich fand einen Jüngling im Schlafe, gar so, als wäre er der König in meinem Lande! Da wollte ich ihm den Wanst aufreißen und wir begannen zu ringen. Aber er hatte Kraft wie kein anderer und rang mich nieder. Und wie es die Könige der Menschen tun, so hätte er mich erschlagen müssen. Aber er reichte mir die Hand ohne Arglist und sprach: "Ich will nicht schlafen in eines anderen Königs Land, sondern nur als Gast. Du hast mit Recht gerungen und ich will mit Ehr gewinnen. Und dann ging er fort."
Weitere Tiere erzählten von einem besonderen Jüngling und bald waren alle sich einig, dass es ein und der selbe war, den sie erzählten. Der Herr des Waldes wollte sich diesen Menschen nun selbst ansehen und zog aus, um ihn zu finden. Er traf ihn in einem ärmlichen Haus, dessen Wände der Wind und dessen Dach die Tannen waren. Der Herr des Waldes sprach zu ihm:
"Wer sitzt hier drin im Tannenhaus, mit Haaren voller Filz und Laus!"
"Ich bin ein Niemand, denn ich habe nichts!" anwortete der Jüngling.
"Ein guter Ruf eilt dir voraus, du Jüngeling vom Tannenhaus! Könige sind dir geneigt, ich selbst bin's, der es dir bezeugt!"
Traurig schaute der Jüngling und sprach: "Kein König meiner Welt ist mir geneigt, sie neigen sich vor keinem, nur dem Speer! Neigen lassen sie nur andere, mit dem Speer! Und mein Ruf ist kein guter unter ihnen, denn ich trage keinen Speer und trachte selbst nach Frieden! Das solltest du vernommen haben mit deinen großen Ohren!"
Und der Herr des Waldes sah den Jüngling an und sah, dass niemals zuvor und niemals danach ein Mensch so ehrlich gesprochen hatte. Darum sagte er:
"Wir sind es leid zu streiten mit euren Herren und wir sind es leid zu sehen euer Streiten und Zerren!
So sei du Hüter und Wächter, denn keiner ist wahrer und keiner gerechter!
Die Könige des Waldes und ich, ihr Herr, tragen an der Last der Dieswelt viel zu schwer.
So nimm und eine du unser Land, verwahre und hüte mit richtender Hand!"
Da lachte der Jüngling. "Ihr treibt Späße mit mir! Wie soll ich hüten ein Land, das nicht meines oder meines Vaters ist? Und dieses ohne Speer; ein jeder König mich darniederschlägt!"
Weise und gütig blickte der Herr des Waldes und sang ein Lied, wie der Jüngling es noch nie gehört. Sodann griff er in den Stamm einer Eiche und dann in den Stamm einer Eibe. So hielt er einen Stock und drei mal drei mal drei kleine Speere in der Hand.
Wieder lachte der Jüngling. "Hohn und Spott! Ein Knüppel und Rattenspieße!"
Der Herr des Waldes lachte nun in Freude und sprach: "Weder Spott noch Hohn, doch gerechter Lohn! Nicht getäuscht und nicht gelogen, dies sind Pfeile und Zauberbogen! Wo lange Speere Grenzen ziehen, dein Pfeil soll immer weiter fliehen. Und wo er endlich niederfliegt, dann deines Reiches Grenze liegt."

Altes Ammenmärchen aus dem westlichen Eichenwall, gehört und niedergeschrieben von Magister Willm von Arlonsberg
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